Warum hast du beschlossen deinen eigenen Laden zu eröffnen und wie war das am Anfang?
Ich habe bei Mytheresa gearbeitet und dort den Laden und den Einkauf gemacht, was zu der Zeit sehr spannend war, da die ganzen großen Labels noch keine freestanding brand stores hatten und es die ganzen Designermarken nur bei uns gab. Nach der Elternzeit mit meiner Tochter habe ich noch drei Tage im neu eröffneten Mytheresa Laden als Store Managerin gearbeitet. Das war mir aber nicht genug, denn ich liebe den Kontakt zu den Menschen und da hat mich mein Mann so lange bearbeitet, bis ich beschloss mein Geschäft in den Fünf Höfen aufzumachen.
Kurz nachdem ich alles unterschrieben hatte, fand ich heraus, dass ich mit meinem zweiten Kind schwanger war und mein Sohn kam dann zwei Monate nach Eröffnung des Ladens zur Welt. Ich war also bis zum Tag der Geburt hochschwanger im Geschäft und eine Woche später habe ich ihn einfach mit in den Laden genommen und zwischendurch gestillt. Ich hatte zu dem Zeitpunkt 3 Aushilfen und es hat alles wirklich sehr gut geklappt, aber dann kam noch in demselben Jahr der 11. September. Die Menschen haben von heute auf morgen aufgehört zu shoppen, was ich mir wirklich nie hätte träumen lassen. Ich bin fast durchgedreht, da ich diese ganzen Schulden hatte, aber im November haben die Leute dann für Weihnachten wieder angefangen zu shoppen und das hat mich gerettet.
Und jetzt bist du wieder betroffen durch die Corona-Krise?
Ich bin durch die Krise eigentlich doppelt betroffen – zum Einen natürlich durch den stationären Handel und zum Anderen durch mein Label, denn ich produziere ausschließlich in einer Firma in Delhi und da hat man auch eine moralische Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern, deren Löhne derzeit weiter gezahlt werden. Wir haben natürlich auch Ware, die schon fertig produziert ist und jetzt nach Amerika oder Italien geliefert werden müsste, wo das alles sehr schwierig ist.
Wie stark ist dein Umsatz durch die Krise eingebrochen?
Im stationären Handel natürlich komplett auf null und wir haben dann auf Online gewechselt und da würde ich sagen, haben wir zwischen 20 und 25% von dem gemacht, was wir sonst in den Läden machen. Aber nichtsdestotrotz muss ich sagen, dass mich das auch gerettet hat, denn wir konnten so zumindest unsere Hersteller und Lieferanten bezahlen.
Konntest du zu irgendeinem Zeitpunkt vorhersehen, was auf dich zukommt?
Ich war im Februar in Mailand und bin gerade noch rausgekommen, da waren die schon total hysterisch und wollten den Flughafen dicht machen. Ein paar Tage später war ich in Paris und da war die Stimmung eine komplett andere, also dachte ich, das wird schon an uns vorüberziehen. Als dann in Deutschland die ersten Meldungen kamen, dass die Läden zugemacht werden, war ich gerade für die neue Kollektion in Indien und habe alles nur per Liveticker am Telefon mitbekommen. Dann musste ich irgendwie sehen, wie ich wieder nachhause komme, da auf einmal alle Flüge entweder gestrichen oder ausgebucht waren. Das war dann schon sehr strudelig, aber nur, weil ich die Nachrichten alle aus dem Ausland bekam und vor Ort noch alles so normal war.
Hast du Pläne gemacht?
Ich habe zu dem Zeitpunkt ehrlicherweise noch nicht an die Läden und sowas gedacht. Als ich dann zuhause war und angekündigt wurde, dass die Läden am 18. März dicht machen müssen, habe ich erstmal einen Heulflash bekommen, ich habe einfach kein Land gesehen, das war ganz ganz schlimm. Aber dann hat mein Mann gesagt, dass wir uns hinsetzen und allen Vermietern schreiben, dass wir die Miete aus Liquiditätsgründen nicht zahlen können. Danach haben wir alle Mitarbeiter informiert und dann kommt man plötzlich in so einen Flow hinein, ich zumindest. Und was dann passiert ist eine ganz erstaunliche Erfahrung: man kann auf einmal in so einer Extremsituation seine kompletten Kräfte bündeln. Das hatte ich so noch nicht. Ich kann mich gut auf eine Situation einlassen, aber, dass ich alles so konzentrieren kann auf diesen Moment und sagen kann, alles andere ist außen vor, das wusste ich nicht. Dann habe ich beschlossen den Fokus auf Instagram zu setzen und das täglich zu machen. Anfangs war ich da noch sehr angespannt und gar nicht in Stimmung, aber als dann die ersten positiven Reaktionen von den Followern kamen, hat mir das einen Push gegeben und ich habe gemerkt, das geht ja voran!
Es wirkt oft so, als wärst du eine totale One-Woman-Show, aber was passiert hinter den Kulissen, wie setzt sich dein Team zusammen?
Man sagt ja, hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau. Bei mir ist das genau andersrum. Man kann, glaube ich, nicht so sorglos, erfolgreich und positiv durchs Leben schreiten, wie ich das tue, wenn man keine gefestigte Familie in allem hat. Ich habe das Glück, dass meine zwei Kinder zur Zeit hier sind. Meine Tochter studiert eigentlich in Wien, hat aber jetzt nur online Uni und kann mir deswegen halbtags helfen und mein Sohn hätte eigentlich ein Praktikum bei BMW gemacht, das ausgefallen ist, und hat jetzt unseren Fahrer abgelöst, der auf die 70 zugeht und deswegen in dieser Situation nicht fahren kann. Dann habe ich ein wahnsinnig gutes Team im Büro, die stehen alle komplett hinter mir, aber ich stehe auch hinter ihnen. Vieles was ich mache, könnte ich nicht so gut machen, wenn mein Büro das nicht abarbeiten würde. Ich habe eine Angestellte für den Wareneingang und die Retouren und in der Hauptsaison noch eine weitere für die Etikettierung. Dann ist eine Frau für die Buchhaltung zuständig, die früher mein erstes Kindermädchen war, danach als Allround-Girl bei uns im Büro begonnen hat und von unserer Buchhalterin eingelernt wurde. Sie kommt aus Georgien, hat jetzt selber zwei Kinder und ist eigentlich meine rechte Hand. Ihr steht noch eine weitere Frau zur Seite, die mit ihr gemeinsam Personal und Buchhaltung macht. Dann habe ich eine Angestellte für Online und eine für mein Brand nimo with love. Es ist ein kleines Team und das möchte ich auch so belassen. Ich musste zum Beispiel auch niemanden aufgrund von Covid entlassen oder überhaupt darüber nachdenken.
Was sind Fixpunkte im Jahr für dich?
Im Januar und im September gibt es Fashion Weeks in Frankreich, Italien und Amerika und da ist man dann schon sehr durchgetaktet. Jetzt gerade wird das aber alles ordentlich durchgewirbelt und das hat auch etwas Gutes, denn die Fashion Weeks haben sich immer schneller gedreht, es gab immer mehr Pre-Collections und man ist gar nicht mehr rausgekommen aus dem Mood noch mehr zu kaufen. Es ist definitiv zu viel Ware auf dem Markt mit allen Verticals und Zara, H&M, etc sowie die ganzen hochpreisigen Segmente. Es ist einfach zu viel. Deswegen ist das, was jetzt passiert eigentlich nicht schlecht. Auf einmal entwickelt sich durch das Coronavirus eine Art von Slow Fashion. Die ersten zwei Fashion Weeks wurden abgesagt und es wird derzeit diskutiert eine virtuelle Version zu machen. Das finde ich aber zum Teil schwierig, denn man kauft nichts, was man nicht zuerst angefasst hat. Ich glaube leider, dass es für neue Designer jetzt wahnsinnig schwer ist, weil jeder auf Nummer sicher kauft und kein Risiko eingeht. Da können Jungdesigner ihre Ware gar nicht präsentieren und das ist eine ganz schwierige Situation für neue Brands.
Die Ware ist aber schon produziert und liegt jetzt einfach nur rum?
Normalerweise würden wir im Juni die Winterware bekommen, sie hätten also eigentlich schon produzieren müssen. Wir bekommen aber relativ viel aus Italien und da stand jetzt alles still, also verschiebt sich dieses Jahr alles auf August, was ich sehr gut finde.
Wie oft bist du in Indien?
Vier Mal im Jahr. So lernt man das Land auch wirklich anders kennen und das macht was mit einem. Mich hat das definitiv bereichert. Ich muss dazu sagen, ich liebe Mode und ich mag was ich tue, aber es ist auf der anderen Seite auch ein oberflächliches Leben, was sich wahnsinnig schnell dreht. Es hat nur mit schönen Dingen zu tun und alles andere blendet man aus. Das ist mir aber für mein persönliches Leben zu wenig Tiefgang. Man muss schon die Balance halten in beiden Punkten dabei zu sein. Wir wollten eigentlich dieses Jahr damit starten, dass wir bei der nimo with love Website, auf der es derzeit nur um die Marke geht, eine Frauenorganisation in Indien mit 5% von unserem Online Verkauf unterstützen. Das Land gibt mir so viel Gutes und die Frauen werden dort nach wie vor so schlecht behandelt. Das können wir uns jetzt aufgrund von Covid nicht leisten, aber hoffentlich können wir das nächstes Jahr starten. Man muss ja Ziele haben!
Du bist total fit, wie schaffst du es deinen Tag auch noch mit Sport zu füllen? Hast du tägliche Rituale oder Tagesabläufe?
Ich bin schon wahnsinnig diszipliniert und ich glaube, das schafft man auch ohne Disziplin nicht. Das heißt nicht, dass ich abends mal nicht mehr Wein trinken würde, als mir gut tut, aber die Disziplin, den Tag zu organisieren habe ich und da gehört Sport einfach dazu, denn das ist für mich ein wahnsinniger Ausgleich. Ich stehe um sieben Uhr auf, trinke einen Tee mit meinem Mann, dann mache ich in der Regel Sport, gehe mit dem Hund, frühstücke und dann fängt mein Tag an.
Wo nimmst du so viel Kreativität her?
Ich glaube, wenn man mit offenen Augen durch die Welt oder durch die Messen geht, dann sieht man schon wahnsinnig viel. Ich bin ein sehr visueller Mensch. Ich mache natürlich Fotos und sauge alles auf. Dann habe ich Freunde überall auf der Welt verteilt, auch ein paar Künstler und wenn man sieht, wie anders die Menschen leben, bekommt man einen Input davon. Das sind zum Beispiel Farben – ich war letztes Jahr in Brasilien und da habe ich diese ganzen Farben mitbekommen. Ich finde es auch total interessant zu sehen, was Menschen in anderen Jobs machen. Da kann man echt viel rausnehmen und out of the box denken. Aber manchen Menschen ist es auch zu viel Kreativität und Energie. Ich bin halt oft schon zwei Schritte voraus und das kann für meine Mitarbeiterinnen auch mal anstrengend sein.
Hast du irgendwelche Vorbilder?
Ganz spontan gefragt, ist ein großes Vorbild für mich Mutter Teresa. Das klingt jetzt nicht nach mir, aber ich habe dreimal bei Mutter Teresa gearbeitet und da hat man einfach etwas ganz Spezielles mitbekommen. Ich habe sie nicht mehr selber erlebt, aber der Spirit lebt dort weiter. Ich finde es beeindruckend, dass jemand nur durch ihren Glauben gelenkt, so viel Gutes tun konnte und sich für Menschen komplett aufgeopfert hat und es aber nicht als Opfer empfunden hat, sondern als Bereicherung ihres Lebens. Für mich war das eine wahnsinnig schöne Erfahrung. Dann finde ich auch so Personen wie Bill Gates faszinierend. Wenn man es schafft, über seinen eigenen Schatten zu springen und sich für eine Sache so komplett einzusetzen, dann ist das was ganz ganz Tolles. Fashiontechnisch vielleicht Dries van Noten, weil der lange Zeit sein eigenes Ding gemacht hat.
Was war eine Investition des letzten Jahres, die dich bereichert hat?
Ich habe sehr spontan beschlossen einen Pop-Up Store in José Ignacio in Uruguay zu machen. Das ist der südamerikanische Hotspot, ein bisschen so wie St. Tropéz in Europa. Da musste ich meinen Mann erstmal überzeugen, denn das war auch eine Geldinvestition, die sich aber im zweiten Jahr schon gelohnt hat. Daraus sind viele Freundschaften mit Brasilianerinnen entstanden und eine hat mich nach São Paulo eingeladen um eine Trunk Show zu machen. Das war natürlich auch mit Kosten verbunden, aber es hat mein Leben so bereichert und ich habe ein ganz anderes Lebensgefühl kennengelernt. Das war mein erstes Mal in Brasilien und ich habe Sachen aufgebaut für die Zukunft, die vielleicht durch Corona ein bisschen nach hinten gestoßen wurden, aber die wiederkommen werden. Manchmal denke ich, man muss einfach über seinen eigenen Schatten springen und eine Investition machen, die man sich leisten kann, bei der man aber nicht sicher ist, ob sie positiv enden wird oder nicht.
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